Die Ursachen des Fachkräftemangels in Deutschland und mögliche Lösungen: Dieses Thema beschäftigt die Politik, die Medien – und vor allem natürlich die Unternehmen selbst seit Jahren. Was sind die Gründe für das fehlende Personal? Welche Maßnahmen unterstützen den Mittelstand und was können KMU tun, um diese Herausforderung zu meistern? In diesem Beitrag findest du wichtige Informationen zum Fachkräftemangel und konkrete Tipps, um deine Personalsuche voranzubringen.
Aktuelle Zahlen zum Fachkräftemangel
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) meldete für das dritte Quartal 2023 über 1,7 Millionen offene Stellen, der Großteil davon war sofort zu besetzen. Allein bei der Bundesagentur für Arbeit waren gut 700.000 Arbeitsstellen verzeichnet. Und das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) teilte mit, dass im Jahr 2022 rechnerisch über 630.000 offene Stellen für Fachkräfte nicht besetzt werden konnten.
Laut Fachkräftereport der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) vom November 2023 bleiben in jedem zweiten Unternehmen offene Stellen zumindest teilweise unbesetzt. Gegenüber dem Vorjahr ist das nur eine geringfügige Entspannung. Vor allem Fachkräfte mit einer dualen Berufsausbildung sind derzeit in der Industrie, dem Baugewerbe und im Handel besonders gefragt.
Wo gibt es Engpässe bei Fachkräften?
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist nicht flächendeckend. Aber es bestehen Engpässe in bestimmte Branchen, Berufen und Regionen. Im Detail zeigt sie der Arbeitskräftemonitor der Bundesagentur für Arbeit. Danach sind Ingenieure, Technikerinnen und Fachkräfte im Handwerk stark nachgefragt sowie Mitarbeitende für Pflege- und Gesundheitsberufe. Die südlichen Bundesländer sind mehr vom Fachkräftemangel betroffen und in ländlichen Gebieten ist es für Unternehmen schwerer, qualifiziertes Personal zu finden als in den großen Städten.
Welche Branchen sind vom Personalmangel betroffen?
Das KOFA hat ähnliche Zahlen zu Engpassberufen ermittelt. Nach einer Untersuchung waren vor allem die Branchen Gesundheit, Soziales und Erziehung sowie Bau, Vermessung und Gebäudetechnik besonders betroffen. Über dem Durchschnitt lag auch der Fachkräftemangel bei naturwissenschaftlichen Stellen und in der Informatik.
Wo genau die Engpässe in deiner Region sind, kannst du in den Bundesländersteckbriefen des KOFA sehen. Auf der Website des Kompetenzzentrums findest du zudem eine interaktive Karte zur Fachkräftesituation geordnet nach Berufen und Regionen. Mit diesen Informationen kannst du besser einschätzen, wie hoch der Wettbewerb um die besten Talente für deine offenen Stellen ist.
Fachkräftemangel in Familienunternehmen
Vor allem Familienunternehmen erschwert der Fachkräftemangel die Gewinnung von passenden Talenten: Im Jahr 2022 blieben dort sechs von zehn Stellen in Schlüsselberufen unbesetzt. Das ergab eine Studie der Stiftung Familienunternehmen und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Als eine mögliche Lösung empfiehlt sie die verstärkte Einstellung ausländischer Fachkräfte. Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen sagten jedoch, sie seien mit der Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem Ausland überfordert.
Die Folgen des Fachkräftemangels in Deutschland
Im ÖPNV fahren die Busse seltener, Kassen im Supermarkt bleiben unbesetzt, dein Lieblingsrestaurant schließt schon um 22 Uhr. Unternehmen müssen Aufträge ablehnen, Dauerstress beim Krankenhauspersonal, Mitarbeitende schieben Überstunden vor sich her. Keine Frage, der Fachkräftemangel und fehlende Arbeitskräfte sind an vielen Stellen im Alltag präsent.
Aufträge gehen verloren
So sagten auch im DIHK-Fachkräftereport 40 Prozent der befragten Unternehmen, dass sie ihr Angebot reduzieren und Aufträge verlieren würden. Andere berichteten von eingeschränkten Öffnungszeiten, einem reduzierten Service und geringeren Investitionen. Besonders in kleinen und mittleren Unternehmen bedeutet fehlendes Personal oft weniger Wachstum und weniger Innovationen – mit Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit. Die Unternehmensberatung BCG berechnete: Durch den Personalmangel gehe in Deutschland eine Wirtschaftsleistung von über 80 Milliarden Euro pro Jahr verloren.
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Ursachen für den Fachkräftemangel
Derzeit sind es vor allem 4 Faktoren, die den Arbeitsmarkt verändern und die Personalgewinnung erschweren:
1. Digitalisierung
In vielen Betrieben werden zwar Arbeitskräfte freigesetzt, gleichzeitig sind neue Kompetenzen gefragt, um Automatisierung oder KI-Anwendungen umzusetzen und zu betreuen. Es entstehen neue Berufsfelder, für die es derzeit meist nur wenige Experten gibt.
2. Demografischer Wandel
Mitarbeitende aus der Babyboomer-Generation verlassen nach und nach den Arbeitsmarkt, es kommen weniger neue Talente nach. Jüngere Generationen forcieren zudem neue Konzepte rund um das Thema Work-Life-Balance – von Teilzeit, Jobsharing und Homeoffice bis zur 4-Tage-Woche.
3. Fehlentwicklungen im Ausbildungsmarkt
Besonders betroffen vom Fachkräftemangel sind das Handwerk sowie die Gesundheits- und Pflegebranche. So fehlen nach Verbandsangaben derzeit 250.000 Handwerkerinnen und Handwerker. Ein Teil der Experten sieht die Ursache darin, dass das Bildungssystem in Deutschland zu sehr auf das Studium als Berufseinstieg setzt. Deshalb blieben jedes Jahr 20.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Andere verweisen darauf, dass zu wenige Unternehmen ausbilden – in Berlin zum Beispiel nur noch 11 Prozent aller Betriebe.
Die Zahl der Auszubildenden sank nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2022 mit 1,216 Millionen auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Auch die Zahl neuer Ausbildungsverträge geht seit Jahren zurück. Im Jahr 2022 wurden nur knapp 470.000 Verträge geschlossen. Auffällig ist zudem, dass seit 2016 die Zahl der angebotenen Berufsausbildungsstellen die Zahl der Bewerbenden immer mehr übersteigt.
4. Wettbewerb um Fachkräfte
Nicht nur in Deutschland suchen heute mehr Unternehmen im gleichen Kandidaten-Pool. Gleichzeitig entsteht eine internationale Konkurrenz, da Optionen für Hybrid oder Remote Work von den Mitarbeitenden keine Anwesenheit vor Ort erfordern.
Zudem gibt es Konkurrenz durch den öffentlichen Dienst, wo die Zahl der Mitarbeitenden in den vergangenen Jahren gewachsen ist – seit 2017 um etwa sieben Prozent. Das bedeutet zwar auch mehr dringend benötigte Mitarbeitende im Bildungsbereich oder in kommunalen Krankenhäusern. Kritisiert wird von Arbeitsmarktexperten jedoch der Personalaufbau in der Verwaltung aufgrund von aufwendigen Prozessen.
Fachkräfte gewinnen für KMU
Die Ursachen für die fehlenden Arbeitskräfte in Deutschland sind also vielfältig und werden sich so bald nicht ändern. Zwar ist der Fachkräftemangel nicht umfassend, die Engpässe sind auf Branchen und Regionen beschränkt. Aber wenn dein Unternehmen derzeit dringend nach Personal sucht, wird dich das kaum beruhigen – worauf es ankommt, sind Lösungen für deine Anforderungen. Schließlich lassen sich nicht alle Personalprobleme durch mehr Automatisierung oder eine höhere Produktivität bewältigen.
Passende Kandidaten finden, neue Talente einstellen und Mitarbeitende binden: Der Alltag im Recruiting ist voller Aufgaben und oft mühevoll. Kleine und mittlere Unternehmen müssen sich im Wettbewerb um die besten Talente zudem mit weniger Budget gegen große Firmen mit bekannten Namen durchsetzen. Deshalb findest du im nächsten Abschnitt vielfältige Lösungen, um den Fachkräftemangel in deinem Unternehmen zu lindern.
Fachkräftemangel: Lösungen für den Mittelstand
Weißt du, wo du deine Jobinteressenten am besten erreichst? Bekommst du ausreichend Bewerbungen? Vor allem bei der Personalsuche haben Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, ihre Prozesse zu optimieren. Hier sind 10 Maßnahmen, die dich dabei unterstützen, Lösungen gegen den Fachkräftemangel zu entwickeln.
Karriereseite erstellen: Sie wird von vielen Unternehmen unterschätzt und ist doch eine der wichtigsten Recruiting-Kanäle. Eine individuelle Karriereseite gibt dir die Chance, das Besondere deines Unternehmens, der Stelle und des Teams herauszustellen.
Arbeitgebermarke stärken: Auch für kleine und mittlere Unternehmen bringt ein gutes Employer Branding konkrete Ergebnisse. Eine LinkedIn-Studie berichtete von 50 Prozent mehr Bewerbungen und einer besseren Mitarbeiterbindung.
Stellenanzeigen optimieren: Sprichst du die Bedürfnisse deiner Zielgruppe an? Ist deine Anzeige AGG-konform? Auf welchen Stellenportalen triffst du überhaupt passende Kandidaten? Mit KI-basierten Stellenportalanalysen findest du Antworten, um deine Personalsuche zum Erfolg zu führen.
Active Sourcing testen: Bei dieser aktiven Art des Recruitings suchst du direkt nach passenden Profilen von Talenten auf Social-Media-Kanälen und Business-Netzwerken wie Xing und LinkedIn. Talent Sourcing bietet dir außerdem die Möglichkeit, einen Talentpool aufzubauen.
Bewerbungsprozess überprüfen: Sorge für einen reibungslosen Ablauf, schnelles Feedback und eine positive Candidate Experience. Denn immer wieder springen Kandidaten ab, weil der Bewerbungsprozess zu lange dauerte oder zu unpersönlich war.
Weiterbildung stärken: Die Digitalisierung ist eine Ursache für den Fachkräftemangel. Sorge dafür, dass sie gleichzeitig eine Lösung ist – nicht nur durch automatisierte Prozesse, sondern durch gezielte Weiterbildung für dein Team oder für neue Mitarbeitende. Wenn du auf dem Markt keine geeigneten Experten findest, entwickle sie selbst.
Interne und externe Potenziale nutzen: Der Arbeitsmarkt ist größer als du denkst. Geeignete Kandidaten für eine offene Position sitzen vielleicht schon in deinem Unternehmen – die interne Personalsuche wird laut einer LinkedIn-Studie immer wichtiger. Außerdem: Wiedereinsteigerinnen begeistern, Quereinsteiger mit vielleicht nicht perfekt passender Qualifikation einstellen, Arbeitslose integrieren, ältere Fachkräfte aktivieren – mit entsprechender Aus- und Weiterbildung für Mitarbeitende, flexiblen Arbeitszeitmodellen und einer guten Portion Offenheit vergrößerst du den Kreis von Kandidaten erheblich.
Tipp: Für deine Azubis eine Prüfungsvorbereitung organisieren – auch damit sicherst du dir die Fachkräfte von morgen.
Ausländische Fachkräfte anwerben: Viele KMU scheuten bisher den Aufwand, der damit verbunden ist. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2023 sollen die Verfahren und der Zuzug aus Nicht-EU-Staaten jetzt vereinfacht und verkürzt werden. Im DIHK-Fachkräftereport sagten 55 Prozent der befragten Unternehmen, dass sie sich mit diesem Thema befassen wollen.
Neue Recruiting-Kanäle ausprobieren: Mögliche Interessenten für deine offene Position findest du heute auf ganz unterschiedlichen Kanälen. Gerade die jüngere Generation ist offen für neue Optionen. So präsentiert sich die App Truffls mit ihrem Matching-Prinzip als moderne Alternative zu traditionellen Stellenportalen. Und bei FahrHalt erreichst du gezielt junge Nachwuchstalente.
Unterstützung und Information sichern: Zahlreiche Organisationen, Projekte und Initiativen stehen bereit, dich bei der Gewinnung von Fachkräften zu unterstützen. Die Übersicht der KOFA bietet dir einen ersten Einblick. Auf der Website von EURES erhältst du speziell Informationen über die Einstellung von Arbeitskräften aus der EU und kannst dort auch Stellenangebote veröffentlichen. Oder nutze unsere Checkliste, wenn du ausländische Fachkräfte nach Deutschland holen willst.
Tipp: Mehr Details zu den hier vorgestellten zehn Lösungen findest du in unserem Beitrag über Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel.
Mitarbeiterbindung ist Fachkräftesicherung
Neue Mitarbeitende finden und einstellen, das ist nur eine Maßnahme, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Mindestens genauso wichtig ist die Fachkräftesicherung im Unternehmen. Zum modernen Personalmarketing gehört deshalb eine moderne Unternehmenskultur. Wer sich auch nach innen als attraktiver Arbeitgeber präsentieren will, sollte seinen Mitarbeitenden Wertschätzung entgegenbringen, ihre berufliche Weiterentwicklung unterstützen und Benefits, wie flexible Arbeitszeiten, bieten.
Ich hoffe, dass jetzt alle den Schuss gehört haben, dass wir beim Thema Fachkräftegewinnung wirklich umdenken müssen und als Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber service-orientierter aufstellen müssen. Solche Themen wie Diversity, Nachhaltigkeitskonzepte, Weiterbildung sind halt einfach keine nice-to-haves mehr, sondern gehören heute zum Kanon, den man als Unternehmen anbieten muss.
Dr. Verena Jaeschke, Business Development Manager GLS Sprachenzentrum in einem Podcast der IHK-Berlin
Das Ziel muss sein, die Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit zu steigern, um qualifiziertes und erfahrenes Personal langfristig zu binden – von der Chefetage bis zu den Azubis. So nannten die Befragten in der Studie „Talent Trends 2023“ der Page Group „Gehalt plus Flexibilität plus Karrierechancen“ als gleichrangig wichtige Aspekte. Wer als Unternehmen diese Faktoren besser als andere für die gesuchten Talente umsetzt, hat einen entscheidenden Vorsprung. Weltweit nahmen fast 70.000 Fachkräfte, davon über 2.000 aus Deutschland an der Studie teil.
Fachkräftemangel: Aus Ursachen Lösungen ableiten
Wenn du dir jetzt noch mal die Ursachen für den Personalmangel anschaust, wirst du merken, dass die Lösungen genau darauf abzielen. Sicher, den demografischen Wandel kannst du nicht beeinflussen. Aber aus den anderen kannst du konkrete Maßnahmen ableiten.
Digitalisierung? Nutze sie, um deine Prozesse effizienter zu gestalten und sorge durch Aus- und Weiterbildung dafür, dass dein Team neue Technologien wie KI schnell nutzen lernt.
Fehlender Nachwuchs im Ausbildungsmarkt? Informiere dich über die Bedürfnisse deiner Zielgruppe und wo du sie am besten erreichst. Sorge für Arbeitsbedingungen und Entwicklungschancen, die auch Azubis begeistern, um deine Ausbildungsplätze zu besetzen.
Wettbewerb um Fachkräfte? Nutze bei Stellenanzeigen die richtigen Stellentitel auf den passenden Jobbörsen, sorge für einen effizienten Bewerbungsprozess und ein empathisches, effektives Onboarding. Entdecke ungenutzte Potenziale innerhalb und außerhalb deines Unternehmens.
Fachkräftestrategie der Bundesregierung
Auch für die Bundesregierung gehört die Fachkräftesicherung zu den „dringlichsten Aufgaben“. Für ihre Fachkräftestrategie identifizierte sie fünf Handlungsfelder: eine zeitgemäße Ausbildung, die gezielte Weiterbildung, die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, einen Wandel der Arbeitskultur sowie eine moderne Einwanderungspolitik. Alle Handlungsfelder findest du auch in den oben beschriebenen Lösungen und Maßnahmen wieder. Es lohnt sich daher, gezielt nach möglichen Fördermaßnahmen zu suchen, zum Beispiel in der Förderdatenbank von Bund, Ländern und EU.
Fazit
Eines der größten Unternehmensrisiken im Mittelstand ist heute der Fachkräftemangel. Das sagten zwei Drittel der befragten mittelständischen Unternehmen in einer Umfrage von Statista aus dem Jahr 2022. Wenn du die Ursachen für die Personalengpässe kennst, wirst du leichter Lösungen finden, um deine offenen Stellen zu besetzen. Eine leistungsstarke Karriereseite, wirkungsvolle Stellenanzeigen oder eine attraktive Arbeitgebermarke: Du hast es in der Hand, dem Fachkräftemangel wirkungsvoll zu begegnen.