Würdest du im Restaurant weniger für dein Essen bezahlen, wenn eine Frau das Menü gekocht hat? Oder einer Uber-Fahrerin weniger Trinkgeld geben als einem Mann? Sicher nicht. Und doch ist der Gender Pay Gap in Deutschland, also die geschlechtsspezifische Lohnlücke, noch immer ein Problem. Dieser Beitrag beschreibt Ursachen für das Lohngefälle, stellt Maßnahmen gegen unfaire Bezahlung vor und zeigt, wie die Gewinner des German Equal Pay Award 2023 die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vorantreiben.
Was ist der Gender Pay Gap: Definition
Der Gender Pay Gap ist der Abstand zwischen dem durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von Frauen und Männern. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) lag der Gender Pay Gap in Deutschland im Jahr 2022 bei 18 Prozent. Das heißt konkret, Frauen verdienten pro Stunde im Durchschnitt 20,05 Euro – und damit 4,31 Euro weniger als Männer. Bei diesen Zahlen handelt es sich um die sogenannte unbereinigte Lohnlücke, unabhängig von Qualifikationen oder Tätigkeiten. Der bereinigte Gender Pay Gap lag 2022 immerhin noch bei 7 Prozent.
Interessanter Fakt: In den ostdeutschen Bundesländern ist der unbereinigte Gender Pay Gap mit 7 Prozent deutlich geringer als in Westdeutschland mit 19 Prozent.
Unbereinigter Gender Pay Gap
Die unbereinigte Lohnlücke gibt die durchschnittlichen Bruttoverdienste quer durch alle Branchen, Tätigkeiten, Karrierelevel und Arbeitszeitmodelle an. Die Daten umfassen also zum Beispiel auch die Gehälter von Teilzeitbeschäftigten. Ursächliche Einflüsse, wie der Umfang der Beschäftigung oder der geringe Anteil von Frauen in leitenden Positionen sind damit nicht berücksichtigt. Nicht enthalten sind zudem die Verdienste von Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, in der öffentlichen Verwaltung sowie in kleinen Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten.
Bei diesem unbereinigten Wert schneidet Deutschland EU-weit mit am schlechtesten ab. Ursachen dafür sind ein großer Niedriglohnsektor, hohe Teilzeitquoten unter Frauen sowie die geringeren Gehälter in sogenannten Frauenberufen (Pflege, Kindererziehung, Handel und andere Dienstleistungen).
Der unbereinigte Gender Pay Gap zeigt daher weniger das Ausmaß der unfairen Bezahlung als vielmehr ein strukturelles Problem: Traditionelle Rollenbilder in der Gesellschaft und eine überkommene Rollenteilung sorgen dafür, dass Frauen noch immer einen großen Teil der Kindererziehung und anderer Care-Arbeit erledigen. In der Folge gehen Frauen eher einer Teilzeitbeschäftigung oder geringfügigen Beschäftigung nach. Die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen sorgen also dafür, dass ihnen Karrierechancen verwehrt werden und sie deutlich weniger verdienen.
Bereinigter Gender Pay Gap
Die bereinigte Entgeltlücke berücksichtigt dagegen strukturelle Unterschiede wie Ausbildungsgrad, Branche oder Beschäftigungsumfang. Der Wert bildet die Verdienstunterschiede von Frauen und Männern mit gleicher formaler Qualifikation ab und ist entsprechend geringer als die unbereinigte Lohnlücke. Auch bei dieser Berechnung sind jedoch die Löhne von Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft, der Fischerei, der öffentlichen Verwaltung sowie in Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten nicht eingeschlossen. Zudem gehen lohnrelevante Einflussfaktoren wie Erwerbsunterbrechungen nicht in die Berechnung ein.
Gender Pay Gap vor Gericht: Ein Beispiel für Lohnunterschiede bei gleicher Qualifikation war das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Februar 2023. Damals hatte ein Arbeitgeber argumentiert, dass ein männlicher Angestellter besser verhandelt hätte und deshalb 1.000 Euro mehr pro Monat verdiente, obwohl eine Kollegin die gleiche Arbeit machte. Das allein sei kein Grund für unterschiedliche Gehälter, entschied jedoch das Gericht.
Ursachen für die Lohnlücke
Für den bereinigten Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen gibt es statistisch keine Erklärung. Vielmehr wird die strukturelle Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt als Ursache gesehen. So arbeitet zum Beispiel fast die Hälfte aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in Teilzeit, sie üben fast zwei Drittel aller Minijobs aus. Gründe dafür sind meist Sorgearbeit in der Familie oder die Pflege von Angehörigen. Erwerbsunterbrechungen, eine oft noch schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie traditionelle gesellschaftliche Muster: Frauen sind dadurch weniger in Führungspositionen zu finden.
So kam auch eine DIW-Studie 2023 zu dem Ergebnis: Mit dem Start der Familiengründung leisten Frauen mehr unbezahlte Sorgearbeit, gehen länger in Elternzeit und arbeiten danach häufiger in Teilzeit. So sinkt die Anzahl der Arbeitsstunden von Frauen signifikant ab dem durchschnittlichen Alter bei der Geburt des ersten Kindes – die Arbeitszeit der Männer steigt dagegen an. Letztere erzielen in dieser Zeit zudem ein hohes Verdienstwachstum.
Wenn Frauen in diesen Jahren viel weniger Zeit am Arbeitsmarkt verbringen, hat das einen langfristigen Einfluss auf ihre Erwerbsbiografien und Verdienstmöglichkeiten.
Clara Schäper, Forschungsgruppe Gender Economics, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
Dazu kommt, dass Frauen oft andere Berufe als Männer ergreifen. Tätigkeiten im Bereich soziale oder personennahe Dienstleistungen (Gesundheitswesen, Pflege, Einzelhandel) werden schlechter bezahlt als technische Berufe.
Maßnahmen gegen die Entgeltlücke
Maßnahmen und Tools, um das Prinzip Fair Pay voranzutreiben, kommen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Dazu zählen zum Beispiel:
Das Entgelttransparenzgesetz. Es gilt seit Juli 2017 und soll mit Maßnahmen, wie dem individuellen Auskunftsanspruch für Beschäftigte, betrieblichen Prüfverfahren und einer Berichtspflicht zu Gleichstellung und Entgeltgleichheit für mehr Transparenz bei den Verdienststrukturen in Unternehmen führen.
Equal Pay Day. Dieser Tag ist eine Initiative des Vereins Business und Professional Women - Germany e.V. Er symbolisiert den Tag des Jahres, bis zu dem Frauen aufgrund des Gender Pay Gap unbezahlt arbeiten. In diesem Jahr fand er am 7. März statt.
Gleichstellungsorientierte Berufs- und Studienwahlbegleitung. Mit Initiativen wie dem Girls’ Day und Boys’ Day oder Klischeefrei wollen Wirtschaft und Politik unter anderem mehr Frauen für technische und naturwissenschaftliche Berufe begeistern.
Unternehmensprogramm für mehr Entgeltgleichheit des BMFSFJ.
Gleichstellungscheck für kleine und mittlere Unternehmen. Einfaches Tool, um die Unternehmenskultur im Hinblick auf die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern zu überprüfen.
Tools zum Fair Pay Check. Praktische Analysewerkzeuge helfen dabei, Lohngerechtigkeit in Unternehmen voranzubringen.
German Equal Pay Award 2023
In diesem Jahr vergab das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum zweiten Mal den German Equal Pay Award. Mit diesem Preis werden Unternehmen ausgezeichnet, die sich mit innovativen Ideen für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen einsetzen. Das waren die Gewinner:
alphaQuest GmbH - Die Digitalisierungsberatung hat ein pragmatisches Vergütungssystem entwickelt, mit dem Unterschiede bei den Gehältern im Unternehmen ausgeschlossen werden.
Goldeimer GmbH - Die Jury würdigte das wertorientierte und ganzheitliche Gehaltsmodell des Non-Profit-Unternehmens, das mehr als nur die Geschlechtergerechtigkeit berücksichtigt. Es besteht aus einem Mindestgehalt für ein „finanziell sorgenfreies Leben“, einer Gehaltsmatrix und einem Gehaltsrat.
Vodafone GmbH – Der Kommunikationskonzern entwickelte ein System, das jeden Monat visualisiert, ob Frauen und Männer mit ähnlicher Berufserfahrung gleich viel verdienen.
Fazit: Fair Pay ist möglich
Der Gender Pay Gap, also die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, hat viele Ursachen – von der strukturellen Benachteiligung von Frauen im Arbeitsmarkt bis hin zu traditionellen Rollenmustern. Immerhin: Die unbereinigte geschlechterspezifische Lohnlücke ist sein 2006 bis heute von 23 auf 18 Prozent gesunken. Aber es gibt noch viel zu tun. Nur langsam zum Beispiel setzt sich die Auffassung durch, dass auch mit Erwerbsunterbrechungen Karriere möglich sein muss, dass auch Chefs oder Chefinnen in Teilzeitjobs arbeiten können. Gleiche Bezahlung ist nicht nur ein Grundrecht, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll.
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