Hier kommt eine wahre Geschichte: Eine Fachkraft aus Indien erhält von einem deutschen Unternehmen eine Ablehnung mit der Begründung: „Wir stellen nur englischsprachige Mitarbeiter ein.“ Allerdings – die Frau hatte ihren Master-Abschluss an der Princeton University in New Jersey gemacht. Noch eine? Ein französischer Sales Manager mit viel B2B-Erfahrung erhielt eine Absage, weil er kein Deutsch konnte. Es ging um einen Vertriebsjob: Kaltakquise bei Firmen in Frankreich.
Von solchen unheimlichen Begegnungen mit dem Arbeitsmarkt in Deutschland berichtet Chris Pyak. Er ist Karrierecoach für ausländische Fachkräfte und hilft ihnen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt in Deutschland. Hierzulande gibt es schließlich für viele Positionen und Branchen nicht mehr ausreichend Bewerberinnen und Bewerber. Deshalb wollen viele Personalabteilungen internationale Fachkräfte gewinnen. Hier erfährst du, welche Fehler Unternehmen dabei machen und was du beachten solltest, um die vielfach umworbenen Fachleute erfolgreich anzusprechen und ausländische Fachkräfte anzuwerben..
So sehen internationale Fachkräfte Deutschland
InterNations, eine internationale Organisation für Expats, fragt jedes Jahr Fachkräfte in aller Welt nach der Attraktivität von Einwanderungsländern. Deutschland landet dort regelmäßig auf den hinteren Plätzen. Auch 2022 reichte es nur zu Platz 42 von 52 Ländern. Faktoren, wie eine hohe Job-Sicherheit und das Einkommen werden zwar gut bewertet. Die Befragten finden es jedoch schwer, sich hier einzugewöhnen. Außerdem kritisieren sie die mangelnde Digitalisierung in den Ämtern, die schwierige Wohnungssuche sowie fehlende Highspeed-Internetanschlüsse zu Hause.
Ausländische Fachkräfte: Bürokratie bei der Einwanderung
Laut einer OECD-Studie von 2022 ist die Arbeitssuche das größte Hindernis für Fachkräfte, die nach Deutschland einwandern wollen. Seit 2020 gilt zwar das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtern soll. Doch noch immer gibt es viel Bürokratie rund um die Anerkennung von Abschlüssen, Sprachkenntnissen und Berufserfahrung. Inzwischen gibt es das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2023. Ziel ist es, dass qualifizierte Fachkräfte leichter einwandern können und einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen.
Übrigens: Viele Tipps, um Talente mit den passenden Inhalten auf den richtigen Kanälen anzusprechen, findest du in unserer Top 10 der Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel.
Fachkräftemangel: Unternehmen müssen umdenken
Aber nicht nur die Politik ist gefragt, auch das Denken in den Unternehmen muss sich verändern, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Karrierecoach Chris Pyak weiß, dass für die internationalen Fachkräfte Deutschland nur eine von vielen Möglichkeiten ist. Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Arbeitsmärkten: „Wenn sie ein besseres Angebot bekommen, in den Niederlanden, in Irland oder in Singapur, dann würden sie dorthin gehen. Wir sind es, die sich um die besten Fachkräfte bemühen müssen, nicht andersherum.
Entscheidend ist nach seiner Erfahrung die Kultur im Unternehmen und das Gefühl, hier willkommen zu sein: „Wir vergessen meist, dass da nicht eine Liste von Qualifikationen kommt, sondern es kommen Menschen. Menschen, die sich wertgeschätzt fühlen wollen, die hier eine Perspektive für ihre Zukunft wollen und sich bei uns auch integrieren und wohlfühlen wollen.“
Die Frage ist also: Wie sorgst du dafür, dass ausländische Fachkräfte ausgerechnet bei dir anheuern? Laut der aktuellen Umfrage der Expat-Organisation InterNations sind diese unter anderem unzufrieden mit der Business-Kultur in Deutschland. Ihrer Meinung nach werden Kreativität und „Out-of-the-Box“-Denken nur unzureichend gefördert und unterstützt. Hier gilt es, die eigenen Prozesse im Unternehmen zu überprüfen, flexibler zu werden und die neuen Perspektiven von Mitarbeitenden aus dem Ausland schätzen zu lernen.
3 Tipps für das Anwerben ausländischer Fachkräfte
Von der Stellenausschreibung bis zur Integration im Unternehmen: Hier sind 3 Tipps, mit denen du typische Fehler vermeidest, die bei der Suche nach Fachpersonal aus dem Ausland und dem Anwerben ausländischer Fachkräfte auftreten:
Optimiere deine Stellensuche. Wie und wo informiert sich deine Zielgruppe? Welche Online-Stellenbörsen sind in den Ländern beliebt, in denen mögliche Bewerber leben? Welche Social-Media-Kanäle nutzen sie? Personalmessen im Ausland und der Kontakt u ausländischen Hochschulen sind weitere Wege, um dein zukünftiges Fachpersonal zu erreichen.
Setze in deiner Stellenanzeige auf Fähigkeiten statt auf Abschlüsse. Welche Erfahrung hat jemand mit bestimmten Werkzeugen, Produktionsverfahren oder Software? Das ist dir vielleicht wichtiger als die Frage, ob der Abschluss in Deutschland bereits anerkannt ist.
Gehe neue Wege bei Bewerbung und Einstellung. Die Bewerbungsunterlagen sehen anders aus als sonst? Konzentriere dich auf die Berufserfahrung und die Fertigkeiten der Interessenten. Suche den Erstkontakt mit Bewerberinnen und Bewerbern per Videochat. Frage sie, warum sie in Deutschland arbeiten wollen, welche Vorstellungen sie vom Leben hier haben. Ein realistischer Blick auf ihre mögliche neue Heimat ist wichtig, um Personal langfristig zu binden.
Einfach und wichtig: Stellenanzeigen auf Englisch
Coach Chris Pyak analysiert seit vielen Jahren den deutschen Arbeitsmarkt und war immer wieder erstaunt: Vor der Pandemie waren jahrelang nur 1 Prozent aller Stellenanzeigen auf Englisch. Und die Hälfte dieser Ausschreibungen kam von gerade mal 100 Unternehmen. Inzwischen sind es immerhin 4 Prozent der Jobinserate, die Hälfte davon wird von 350 Firmen geschaltet. Vor allem für die großen Unternehmen ist es heute selbstverständlich, Stellenanzeigen auch auf Englisch zu veröffentlichen. Der Online-Händler Zalando erhält dadurch 100.000 Bewerbungen im Jahr.
Du willst die Fachkräfte finden, die du suchst? Dann kommen hier zwei weitere Tipps:
Schalte Stellenanzeigen auf Englisch. Große Firmen tun es bereits, kleine und mittlere Unternehmen sollten diese Chance ebenfalls nutzen.
Erwarte nicht, dass Bewerberinnen und Bewerber perfekte Sprachkenntnisse mitbringen. Deutsch ist eine Regionalsprache, für viele Jobs ist sie im ersten Schritt nicht so wichtig. Die Sprache lernen Fachkräfte am besten vor Ort.
Fazit: Wettbewerb um ausländische Fachkräfte wächst
In Deutschland brauchen wir jährlich rund 400.000 Menschen, um den Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften zu decken. Weniger Bürokratie bei der Einstellung ausländischer Fachkräfte – darüber würden sich die Unternehmen und ihre Job-Interessenten freuen. Schließlich dauert es heute oft Monate vom ersten Kontakt bis zu Einstellung und Umzug.
Doch auch die Wirtschaft muss umdenken, auf die Bedürfnisse der Bewerberinnen und Bewerber eingehen und Stellenanzeigen entsprechend formulieren. Viele andere Länder werben um die begehrten Fachkräfte aus dem Ausland – einer Expertin aus Indien oder einem erfahrenen B2B Sales Manager stehen Europa und die Welt offen.