Ausgelöst durch die Pandemie, unterstützt von digitalen Technologien: Die Veränderungen in unserer Arbeitswelt sind kein kurzfristiger Trend. Homeoffice und flexible Arbeitszeiten werden in vielen Branchen zum Standard. Das bedeutet neue Herausforderungen für Unternehmen und Beschäftigte, die uns auch 2023 begleiten. Hier erfährst du, was im neuen Jahr in der Arbeitswelt außerdem wichtig wird – von neuen Strategien gegen den Fachkräftemangel und wichtigen Skills der Mitarbeitenden bis zum Trend, Beschäftigte auch in Krisenzeiten im Unternehmen zu halten.
Zwischen Homeoffice und Büro
Hybrid zu arbeiten, im Wechsel von Homeoffice und Präsenz im Büro, ist in vielen Branchen inzwischen normal. Der Anteil der Erwerbstätigen, die zumindest gelegentlich im Homeoffice arbeiten, hat sich von 2017 bis 2021 mehr als verdoppelt – von 11 auf fast 25 Prozent. Inzwischen bieten 30 Prozent der deutschen Firmen ihren Mitarbeitenden an, von zu Hause aus zu arbeiten, das ermittelte der Branchenverband bitkom. Im Jahr 2014 waren es nur 20 Prozent.
Nebeneffekt: Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden Homeoffice anbieten, benötigen laut einer Umfrage im Durchschnitt 20 Prozent weniger Büroflächen. Die Deutsche Telekom will langfristig sogar auf etwa die Hälfte ihrer Büroflächen in Deutschland verzichten. Laut der Microsoft-Studie Work Trend Index ist das Büro als Ort für den sozialen Austausch bei den Beschäftigten weiterhin beliebt. Für 84 Prozent der Befragten ist die Anwesenheit von Kolleginnen und Kollegen der Hauptgrund, wieder in die Präsenz zurückzukehren.
Flexible Arbeitszeitmodelle
Remote Work, Büro oder hybrid: Wo wir arbeiten, wird Unternehmen und Beschäftigte im neuen Jahr weiter bewegen. Das gilt ebenso für das Wie – und damit für den Wunsch nach flexiblen Arbeitszeitmodellen. So sagten 21 Prozent der Befragten im Work Trend Index, die ihren Job gekündigt hatten, der Grund sei die fehlende Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort. Das Nachdenken über den „9-to-5“-Tag oder die Vier-Tage-Woche bleiben also heiße Themen.
Viele Verbände drängen daher auf eine Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes von 1994. Sie fordern eine flexible maximale Arbeitszeit pro Woche statt der bisherigen strikten Vorgaben des Gesetzes. Übrigens: Laut einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sind Beschäftigte mit flexiblen Arbeitszeiten produktiver. Führungskräfte stehen vor der Aufgabe, die neuen Trends und Erwartungen der Angestellten zu verstehen und kreativ darauf zu reagieren, damit das hybride Arbeiten im Unternehmen erfolgreich ist.
Diversität gegen den Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel und das Recruiting von neuen Mitarbeitenden bleibt ein Dauerthema. Im Durchschnitt gab es 2022 in Deutschland über 850.000 offene Stellen – ein neuer Höchststand. In den Stellenanzeigen bei XING waren im vergangenen Jahr Software-Entwickler, Elektromonteure und Krankenpfleger am meisten gefragt. Fünf Branchen veröffentlichten über die Hälfte aller Stellenanzeigen auf dem Portal: Personaldienstleistungen, Internet und Informationstechnologie, Gesundheit und Soziales, Konsumgüter und Handel, Industrie und Maschinenbau.
Beim Recruiting sind weltoffene Ideen gefragt – es gilt, neue Strategien auszuprobieren, um den Bewerberpool zu vergrößern. Dazu gehören vor allem neue HR-Konzepte zu Diversität und Inklusion. So wirbt die HR-Expertin Janet Haupka dafür, Menschen mit Behinderung, Quereinsteigende und ältere Fachkräfte bei der Bewerberansprache stärker zu berücksichtigen. Sie rät dazu, nicht nur auf formale Abschlüsse zu achten. Soft-Skills wie Kreativität, Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit seien ebenso wichtig. Weitere Tools für eine diverse und inklusive Bewerbersuche: Stellenanzeigen optimieren und neue Ideen für die Anwerbung ausländischer Fachkräfte entwickeln.
Mit einem neuen Gesetz will zudem die Bundesregierung 2023 die Zuwanderung von internationalen Fachkräften erleichtern und damit Unternehmen unterstützen, wenn sie ausländische Fachkräfte anwerben wollen. Das IW schlägt außerdem vor, schon in der Ausbildungsphase aktiv zu werden. In einer aktuellen Studie kam das Institut zu dem Schluss: Deutschland solle mehr ausländische Studierende anwerben und ihnen hier Perspektiven auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu bieten – vor allem in den Bereichen Informatik, Ingenieurwesen und Naturwissenschaften.
Neue Qualifikationen, neue Skills
Projektmanagement, Cloud-Computing, Automatisierung: Die digitale Transformation der Arbeitswelt erfordert von den Beschäftigten viele neue Fähigkeiten. Dazu kommen neue Führungsmodelle und moderne Unternehmenskulturen. „Upskilling“ wird daher zu einem wichtigen Teil der persönlichen Entwicklung der Mitarbeitenden und der HR-Strategie von Unternehmen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie in die Qualifikation ihrer Angestellten investieren. Denn die Halbwertszeit einer Fähigkeit sei „von 30 Jahren auf durchschnittlich sechs Jahre gesunken“, sagt der Strategie- und Technologieberater Bernard Marr.
Neben dem Fachwissen sind es vor allem Soft Skills, die nötig sind, um sich in der digitalen Arbeitswelt zu behaupten. Dazu gehören Technologiekompetenz, analytisches Denken, Führungsqualitäten, Kreativität und die Offenheit für Veränderungen. Ebenso entscheidend sind Social Skills wie die Fähigkeit zur Zusammenarbeit im Team, interkulturelle und Diversitätskompetenz sowie emotionale Intelligenz.
Arbeitskräfte halten – auch in der Krise
Wie so oft kommen die Trendbegriffe in der Arbeitswelt aus dem Englischen. Derzeit sind labor hoarding (Halten von Arbeitskräften) oder talent warehousing (Lagerung von Fachkräften) aktuell. Sie beschreiben die HR-Strategie, trotz trüber Geschäftsaussichten die Beschäftigten zu halten, statt sie zu entlassen. Die Gründe sind einleuchtend: Qualifiziertes Personal ist schwer zu bekommen. Fachkräfte entlassen, nach der Krise wieder auf Personalsuche gehen und neu einstellen – das ist teuer.
Unternehmen hätten mit dem „Arbeitskräftehorten“ aus früheren Rezessionen wie der globalen Finanzkrise gelernt, sagt der Ökonom Holger Schäfer vom IW. Auch nach der Corona-Pandemie erholte sich die Wirtschaft schneller als erwartet. Unternehmen, die viele Beschäftigte entlassen hatten, fanden es danach schwierig, genug Fachkräfte zu finden. Ohnehin sieht es derzeit so aus, als sei die Lage besser als die Stimmung. Wenn die Rezession trotz Energiekrise und Inflation nicht so schlimm wird wie befürchtet, dann können Unternehmen mit ausreichend qualifiziertem Personal gleich wieder durchstarten.
Fazit: Fachkräfte sichern bleibt auch 2023 eine Herausforderung
Hybrides Arbeiten, neue Strategien gegen den Fachkräftemangel oder Upskilling für Mitarbeitende – diese und weitere Trends werden Personaler in den Unternehmen weiter beschäftigen. Recruiter sollten alle Chancen nutzen und auch neue Wege ausprobieren, um Fachkräfte zu finden und zu binden.